Juni 29, 2023 Circle by Frank

Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD und neue EU-Regulierung

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Die neue EU Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD-Richtlinie) standardisiert und erweitert die Berichtspflichten und den Kreis der verpflichteten Unternehmen gegenüber dem bisherigen Stand erheblich. Einheitliche Reporting-Standards, Doppelte Wesentlichkeit, Auditierung und einheitliches elektronisches Berichtsformat sind nur die wichtigsten Neuerungen:

Bisherige ESG-Berichterstattung in der EU

Viele EU-Unternehmen waren bereits seit Inkrafttreten der Non-Financial Reporting Directive (NFRD – 2014/95/EU) verpflichtet, nichtfinanzielle Informationen, zB Umweltdaten, offenzulegen. Diese Anforderungen galten v.a. für große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeitern, börsennotierte Unternehmen, Banken und Versicherungen. Dadurch waren seit 2017 beispielsw. in Deutschland rund 500 große, kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen dazu verpflichtet, eine sogenannte „nichtfinanzielle Erklärung“ zu erstellen. Dort sind bestimmte Konzepte, Risiken und Leistungsindikatoren in Bezug auf Umwelt, Arbeitnehmerbelange, soziale Belange, Menschenrechte und Korruption darzulegen, sofern diese als wesentlich erachtet werden. Vor der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD fand sich die – eher rudimentären Berichtspflichten in der NFRD-Richtlinie (2014/95/EU) und deren nationale Umsetzung über das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG).

Umfang des bisherigen Reportings

Zu den Berichtspflichten gehörten bisher insbesondere:

  • Umweltangelegenheiten
  • Soziale Belange und Umgang mit Arbeitnehmern
  • Achtung der Menschenrechte
  • Anti-Korruption und Bestechung
  • Diversität in Unternehmensvorständen (in Bezug auf Alter, Geschlecht, Bildungs- und Berufshintergrund)

(Bisherige) Reporting-Inhalte unter der NFRD-Richtlinie

Die bisherigen Inhalte für die EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung wurde in den 90er und 00er Jahren entwickelt. Zum Beispiel veröffentlichte die Global Reporting Initiative (GRI) im Jahr 2000 ihre ersten Leitlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Im folgenden Jahr veröffentlichte der World Business Council for Sustainable Development das Greenhouse Gas (GHG) Protocol. Gleichzeitig wurden freiwillige Initiativen wie der UN Global Compact und das Carbon Disclosure Project gegründet, die Akteure dazu ermutigen, Informationen zur Nachhaltigkeit offenzulegen. Seit der Finanzkrise 2007/08 sind weitere ESG-Rahmenwerke und -Standards entstanden. Heute gehören die GHG-Protokolle (und die ISO-1406x-Standards zu Treibhausgasen) zu den relevantesten Rahmenwerken.

Neue Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung- in der EU durch die CSRD

Neue Regulierung ab 2024 in der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)

Verschiedene Studien, unter anderem des ⁠UBA⁠, offenbarten Defizite der bisherigen Reporting-Standards in der EU. Getrieben durch den „European Green Deal“ und die Sustainable Finance-Strategie der Europäischen Kommission wurde die EU-Richtlinie von 2021 bis 2022 daher umfassend überarbeitet. Die neugefasste Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD – EU 2022/2464) ist seit Anfang 2023 in Kraft und muss bis Mitte 2024 von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Durch die Neufassung werden Nachhaltigkeitsinformationen künftig den gleichen Stellenwert wie Finanzinformationen eines Unternehmens erhalten. Die neuen Anforderungen gelten – größenabhängig – ab dem Geschäftsjahr 2024, also für Berichte ab dem Jahr 2025.

Neue, erweiterte (Berichts-)pflichten unter der CSRD

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) enthält umfassende Änderungen in verschiedenen Bereichen der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die Wichtigsten sind:

  • Erweiterte Berichtspflichten: Unternehmen müssen künftig umfassender und nach standardisierten Maßstäben berichten. Durch eine stärkere Quantifizierung der Berichtsinhalte sollen außerdem die Messbarkeit und Vergleichbarkeit der Angaben verbessert werden. DFier Standards werden zwar aktuell noch entwickelt, bestehende Standards, insbesondere der Global Reporting Initiative (GRI) werden aber einbezogen. Beispielsweise hat die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) am 31.05.2024 die finalen Versionen von drei Implementation Guidance Dokumenten veröffentlicht (dazu unten mehr). Ziel ist es, weltweit eine kohärentere und vergleichbarere Landschaft für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu schaffen.
  • Neues Verständnis von Wesentlichkeit: Die CSRD verankert die sogenannte „doppelte Wesentlichkeit“. Danach sind Unternehmen verpflichtet, sowohl über die Auswirkungen des eigenen Geschäftsbetriebs auf Mensch und Umwelt als auch über die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf das Unternehmen zu berichten. Bislang musste nur dann über Sachverhalte berichtet werden, wenn beide Wesentlichkeitsaspekte zutrafen.
  • Auditierung: Die Nachhaltigkeitsberichterstattung muss künftig ebenso wie die Finanzberichterstattung extern geprüft werden. Hierfür legt die EU-Kommission Prüfstandards fest. Darüber hinaus soll die Prüfungstiefe schrittweise erweitert werden: In einem ersten Schritt ist eine Prüfung mit begrenzter Sicherheit („limited assurance“) vorgesehen. Danach wird eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit („reasonable assurance“) verlangt, was der Prüfungstiefe im Rahmen der Finanzberichterstattung entspricht.
  • Lageberichtspflicht: Um den Zugang zu Nachhaltigkeitsinformationen zu erleichtern, sollen diese künftig verpflichtender Teil des Lageberichts sein. Das zeigt den hohen Stellenwert der Nachhaltigkeitsberichterstattung, die sukzessive denselben Stellenwert wie die klassische finanzielle Berichterstattung erhalten soll.
  • Einheitliches elektronisches Berichtsformat: Seit dem 1. Januar 2020 sind kapitalmarktorientierte Unternehmen verpflichtet, ihre Rechnungslegungsunterlagen in dem sog. European Single Electronic Format (ESEF) offenzulegen, das auch Maschinenlesbar ist. Im Rahmen der CSRD sollen diese Anforderungen auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgeweitet werden.

Anwendungsbereich – wer muss wann berichten?

Die Berichtspflichten unter der CSRD werden phasenweise von den bereits berichtspflichtigen Unternehmen auf alle „großen“ Unternehmen sowie alle* börsennotierten Unternehmen ausgeweitet:

  • Geschäftsjahr 2024: bisher zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung verpflichtete Unternehmen
  • Geschäftsjahr 2025: alle weiteren „großen“ Unternehmen
  • Geschäftsjahr 2026: börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen (mit Ausnahme von Kleinstunternehmen)
  • Geschäftsjahr 2028: Bestimmte Unternehmen aus Drittländern mit einem Nettoumsatz von über 150 Mio. EUR in der EU

Als groß gelten demnach Unternehmen, die zwei von drei der folgenden Kriterien überschreiten:

  • Bilanzsumme: 25 m EUR
  • Nettoumsatzerlöse: 50 m EUR
  • Durchschnittliche Zahl der Beschäftigen: 250

Anwendung der GHG-Reporting-Standards im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD

Das International Sustainability Standards Board (ISSB) hat zusammen mit EFRAG bei der Entwicklung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS)1 und der IFRS Sustainability Disclosure Standards (ISSB-Standards) zusammengearbeitet, um ein hohes Maß an Übereinstimmung der jeweiligen Standards zu erreichen (mit Focus auf CO2-Reporting). Auf der Basis der gemeinsamen Empfehlungen vom Mai/Juni 2024 müssen Unternehmen ihre Treibhausgasemissionen gemäß dem GHG Protocol ermitteln, es sei denn, dass sie gesetzlich verpflichtet sind, eine andere Methode zur Messung der Treibhausgasemissionen zu verwenden (IFRS S2 – Sustainability Disclosure Standard, Sec. 29, a ii – Climate-related metrics).

Doppelte Wesentlichkeit in CSRD-Nachhaltigkeitsberichterstattung

Gemäß der neuen Richtlinie muss ein Unternehmen nachhaltigkeitsbezogene Angaben machen, die aus finanzieller Perspektive oder aus ökologischer und sozialer Perspektive wesentlich sind („doppelte Wesentlichkeit“). Kriterien und Ansätze für die Identifikation und Bewertung wesentlicher Nachhaltigkeitsthemen und -informationen werden in den Berichtsstandards definiert. Allerdings verbleibt die Wesentlichkeitsanalyse eine weitgehend unternehmensindividuelle Aufgabe, deren Ergebnis die Anwendung der Berichtsstandards und folglich auch den Berichtsinhalt bestimmt.

Sonstige Berichtselemente und -themen

Unternehmen müssen bezogen auf Nachhaltigkeitsaspekte u.a. folgende „sonstigen“ Berichtselemente offenlegen:

  • Governance-Strukturen
  • Geschäftsmodell und Strategie
  • Sorgfaltspflichten-Prozesse (engl. „Due Diligence“), einschließlich tatsächlicher und potenzieller Auswirkungen auf Mensch und Umwelt
  • Nachhaltigkeitsbezogene finanzielle Risiken und Chancen
  • Zielsetzungen und erreichte Fortschritte
  • Prozess zur Wesentlichkeitsanalyse

Die zu berichtenden Informationen unter der CSRD-Nachhaltigkeitsberichterstattung können qualitativer oder quantitativer Natur, zukunfts- oder vergangenheitsbezogen sein und kurz-, mittel- und langfristige Zeiträume abdecken. Sie beziehen sich grundsätzlich auf die eigenen Aktivitäten sowie die Wertschöpfungsketten des Unternehmens.

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